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Gleismannsbahnhof.

Gleis 2.11: Die Zerstörung und der Abbau der Zweiglinie

Die Feuersturmnacht

"Die ersten gelben Markierungen und Bomben fielen um 0.55 Uhr - zwei Minuten früher als vorgesehen - und gegen 1.00 Uhr, der offiziellen Eröffnung des Hauptangriffs, war der Angriff schon in vollem Gange. ... Sehr bald schon war eine ausgedehnte Brandfläche zu sehen, und eine dichte Rauchsäule stieg empor bis in die Höhe, in der die Bomber flogen. Jedem einzelnen RAF-Mann in den mittleren und späteren Phasen des Angriffs wurde klar, daß die Brände und der Rauch ein Ausmaß erreichten, wie noch niemand es zuvor gesehen hatte. ... Das Ende des Angriffs war für 1.45 Uhr geplant, und die letzte der 729 Maschinen klinkte ihre Ladung zwei Minuten danach aus." (aus: Martin Middlebrook: "Hamburg Juli ´43", Seite 269 ff)

"Es lohnt sich, die Teile Hamburgs, die in jener Nacht so schwer bombardiert wurden, etwas genauer anzusehen. Die südlichsten Grenzen der bombardierten Fläche bildeten die Stadtteile Billwärder Ausschlag und Rothenburgsort, beide auf dem Nordufer der Elbe gelegen. ... Die ersten Bombenfrachten der Nacht waren in diesen Stadtteilen gefallen, aber die ganze Schwere des Angriffs war ein wenig weiter nördlich herniedergegangen. Hier lag, 2,5 Kilometer von der Stadtmitte entfernt, der alte Stadtteil Borgfelde, und ein wenig weiter lag Hamm. Hamm war ein ausgedehntes Gebiet, es umfaßte Hamm Nord, Hamm Süd und Hammerbrook. Diese Hauptbombardierungsgebiete wurden von einer Reihe wichtiger Straßen und zwei Kanälen durchschnitten, die sämtlich von West nach Ost durch Borgfelde und Hamm verliefen, wobei die Hammmer Landstraße, eine wichtige Hauptstraße, eine besonders auffällige Trennlinie darstellte. Südlich dieser Straße befand sich ein trockengelegtes, ehemaliges Marschgebiet, jetz Heimat vieler Tausender Arbeiter und ihrer Familien. Die Vorfahren dieser Menschen waren Landarbeiter gewesen, die vor einem halben Jahrhundert durch die Modernisierung des Hafens und der Industrie in die Stadt gelockt worden waren. Fast alle wohnten sie jetzt in den mietgünstigen mehrstöckigen Wohnblocks, die von den gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften errichtet worden waren. ... Straßenzug um Straßenzug war bebaut mit diesen oft sechsstöckigen Blocks, und in jedem Block wohnten jeweils etwa achtzehn Familien. Es gab viele Kinder dort. Es handelte sich bei diesen Vierteln nicht etwa um Slums. Aber dicht besiedelt waren sie, und die Straßen hatten in den Jahren der Wirtschaftskrise viel Not und Elend gesehen. ... Es ist sehr wichtig, immer zu bedenken, daß es sich bei diesen Stadtteilen ganz überwiegend um Wohnviertel handelte - auch wenn es dort etliche kleinere Handels- und Gewerbe-Betriebe in Höfen und Seitenstraßen gab - und daß sie dicht besiedelt waren von Familien, die den mittleren und unteren Schichten der Hamburger Gesellschaft angehörten. Die meisten Straßen waren eng, und freie Plätze gab es so gut wie gar nicht." (aus: Martin Middlebrook: "Hamburg Juli ´43", Seite 282 ff)

"Die Bombenabwürfe dauerten nicht länger als eine Stunde. Während des ersten Teils dieser Zeit waren die Wirkungen am Boden ihrem Charakter nach nicht sehr verschieden von denjenigen, die man beim vorigen Angriff drei Nächte zuvor, erlebt hatte, wenn auch die Bombenabwürfe konzentrierter und die Brände zahlreicher waren. ... Hermann Bock war Mittelschullehrer in Hamburg gewesen, bis er zur Wehrmacht einberufen wurde. Jetzt war er als Chef einer Eisenbahn-Flakbatterie wieder in seiner Heimatstadt. ... Bock beschreibt dann den Beginn des Angriffs, wie er ihn von seiner Batteriestellung aus erlebte: "In dieser Nacht hatte sich die Welt völlig verwandelt, auch wenn man Krieg als Duell zwischen einem Angreifer und einem Verteidiger ansieht. Hamburgs Nachthimmel war in wenigen Sekunden zu einem schaurigen Höllenhimmel geworden, den zu beschreiben schwer möglich ist. Auf- und abschwellende Heultöne der Sirenen und sofort Flugzeuge in den Fangarmen der Scheinwerfer, herumsuchende Scheinwerfer, auflodernde Brände, überall Rauchschwaden, lautstark heranrollende Detonationswellen, unterbrochen von Lichtdomen von aufzuckenden Luftminen, herabrieselnde Kaskaden von Licht- und Markierungsbomben, Stabbrandbomben hörte man herabrauschen, kein Menschenlaut, kein Aufschrei war zu hören. Es war wie der Weltuntergang, man dachte, fühlte, sah und sprach nicht mehr."." (aus: Martin Middlebrook: "Hamburg Juli ´43", Seite 284)

"Alles, was die Menschen bisher in der Schlacht um Hamburg erlebt hatten, war auch in anderen bombardierten Städten geschehen, wenn auch oft nicht im gleichen Ausmaß." (Doch dies) "war ein kleiner Teil eines völlig neuen und entsetzlichen Resultats der Flächenbombardierung. Dieses "Flammenmeer" wurde später Gegenstand intensiver wissenschaftlicher Erforschung, und man gelangte zu dem Schluß, daß nicht einmal die schwersten natürlichen Feuer, wie zum Beispiel Waldbrände, jemals die Intensität des Geschehens erreichten, wie es sich in den frühen Morgenstunden des 28. Juli 1943, eines Mittwochs, im östlichen Hamburg ereignete. Augenblicklich wurde das deutsche Wort "Feuersturm" dafür geprägt, und es ging sofort zur Beschreibung dieses Phänomens in den Sprachgebrauch ein; das Wort wurde schon wenig mehr als eine Stunde nach Beginn des Sturms in das Haupttagebuch der Hamburger Feuerwehr eingetragen." (aus: Martin Middlebrook: "Hamburg Juli ´43", Seite 287)

"Der Feuersturm entstand durch die Verbindung dreier Faktoren: ... eine ungewöhnliche Kombination sehr hoher Temperaturen und geringer Luftfeuchtigkeit ..., die ungewöhnlich konzentrierte Markierung und Bombardierung ...(und) Gauleiter Kaufmanns Befehl vom vorigen Abend, die drei Tage alten Brände zu löschen, die im westlichen Teil der Stadt schwelten. Als Folge davon befanden sich nahezu alle Hamburger Löschzüge auf der falschen Seite der Stadt. ... Als die Löschzüge endlich den Osten der Stadt erreichten, war es zu spät, um die Katastrophe zu verhindern." (aus: Martin Middlebrook: "Hamburg Juli ´43", Seite 288)

"Eine Viertelstunde nach dem Fallen der ersten Bomben wurden kaum einige der großen Brände bekämpft, und sie gerieten sehr schnell außer Kontrolle. ... Man schätzt, daß im Zentrum dieser Flammenhölle eine Temperatur von 800 Grad erreicht wurde, und daß aus allen Richtungen Luft mit einer Geschwindigkeit angesaugt wurde, die Orkanstärken erreicht haben mochte. Das war der Feuersturm. Nach übereinstimmender Ansicht begann der Feuersturm um 1.20 Uhr, dreiundzwanzig Minuten nach dem Fallen der ersten Bomben. In seinem ersten Stadium erstreckte sich der Feuersturm wahrscheinlich über eine Fläche von zweieinhalb Quadratkilometer und beschränkte sich auf die Stadtteile Borgfelde und Hammerbrook. Hans Brunswig, 1943 höherer Feuerwehroffizier in Hamburg, hat eine Geschichte der Hamburger Bombenkriegserfahrungen geschrieben. Das Buch enthält eine Karte, die das mutmaßliche Zentrum des Feuersturms in die Nähe des Zusammenflusses zweier schmaler Kanäle legt - des Mittel-Kanals und des Hochwasser-Bassins. Es mag nur ein Zufall sein, daß sich ganz in der Nähe dieses Punktes, am Normannen-Weg, ein Sägewerk mit großem Holzlager befand, ... doch es ist möglich, daß lichterloh brennende Holzstapel der Kern des Feuersturms waren. " (aus: Martin Middlebrook: "Hamburg Juli ´43", Seite 289ff)


Ausschnitt des Stadtplans von etwa 1910 mit dem Zentrum des Feuersturms.


"Als der Feuersturm seine größte Ausdehnung erreicht hatte, bildete er ein unregelmäßiges Rechteck, das von Norden nach Süden ungefähr zweieinhalb Kilometer maß und von Westen nach Osten nahezu fünf Kilometer; in diesem unregelmäßigen Gebiet mag eine Gesamtfläche von nahezu zehn Quadratkilometern Feuersturmgebiet gewesen sein. Es gibt Schätzungen, nach denen 16 000 Wohnblocks mit einer Straßenfront von zusammen 215 Kilometern während des Feuersturms in Flammen standen. Der Höhepunkt des Feuersturms war irgendwann zwischen 3.00 und 3.30 Uhr erreicht, mehr als eine Stunde nach Ende des Angriffs." (aus: Martin Middlebrook: "Hamburg Juli ´43", Seite 290ff)

"So kehrten wir um, und als wir an der Hochbahnstation Spaldingstraße Menschen hörten, gingen wir dort hinein. Viele hatten dort schon Zuflucht gefunden und saßen und standen auf den Treppen herum. Die Fenster waren von der Hitze alle geplatzt, und der Orkan peitschte hindurch mit heißem Sand und Funken. Über unseren Köpfen fingen die Schwellen der Gleise an zu brennen."
Zitat aus: "Die Hamburger Katastrophe vom Sommer 1943", S. 87ff, Bericht von Martha Bührich.

In der Broschüre "Wir haben uns immer gegenseitig geholfen" des Stadtteilarchivs Hamm - Band 8 habe ich auf der Seite 21 ff folgendes gefunden:

Jens Marheincke, Jahrgang 1928, gehörte als 15jähriger Junge dem "NSDAP - Katastropheneinsatz" an, der die Aufgabe hatte, die Feuerwehr zu unterstützen. In der Nacht zum 28. Juli ... war er im Einsatzlokal in der Norderquaistraße: "... Es schien mir eine Ewigkeit zu dauern, bis ich den Nagelsweg erreichte. Diese Straße war nur auf der einen Seite bebaut, auf der anderen Seite war der stählernde Viadukt der Hochbahn, und unter den Brücken waren Betriebe angesiedelt, unter anderem auch Kohlenläger. Die Kohlen- und Koksberge standen in Weißglut und ebenso die stählernen Brücken darüber. Es war ein unbeschreibliches Inferno."

"Der furchtbare Glutofen des Feuersturms begann ungefähr drei Stunden nach seinem Entstehen abzuflauen. Das erste Nachlassen des Windes und Feuers wurde im westlichen Teil des jetzt drei Kilometer langen Feuersturm-Gebiets beobachtet. Zu ersterben begann er erst, als so gut wie alles brennbare Material in dem Gebiet verbrannt war, in dem der Sturm begonnen hatte. Nach ersten Schätzungen trat dieses Stadium gegen 4.00 Uhr früh ein. ... und es ist geschätzt worden, daß die letzten Zeichen des Feuersturms zwischen 6.00 und 7.00 Uhr früh verschwanden. Jene fünf Stunden, in denen der Feuersturm getobt hatte, sollten sich als ein Wendepunkt in der Geschichte der Stadt Hamburg erweisen, eine große Scheidewand in der Lebensordnung und in Erscheinungsbild und Wesensart der Stadt." (aus: Martin Middlebrook: "Hamburg Juli ´43", Seite 302)

Das Ende der Zweigstrecke

Die Zweigstrecke konnte aufgrund der immensen Schäden kurzfristig nicht wieder in Betrieb genommen werden; und in zwei Plänen zur Neugestaltung der Stadt Hamburg, die vom Heiligabend und von Silvester 1943 datieren, war diese Strecke auch schon nicht mehr vorgesehen.

Der Tunnel zum Besenbinderhof wurde, als dort keine Züge mehr fuhren, als Luftschutzbunker genutzt, bis dies ab 1944 verboten wurde, da die Einsturzgefahr durch Bombeneinschläge zu groß war. - Das 1944 zerstörte Zoologische Museum am Hauptbahnhof hatte derweil in dem Tunnel Flaschen und Glasbehälter mit in Alkohol eingelegten Tieren verwahrt, die als "garantiert echter Schnaps" von Schwarzhändlern verkauft wurden ...

Die HHA entschied die Stillegung der Zweigstrecke auch im Jahre 1944. Es gab dafür drei gravierende Gründe:
1. Die Strecke war stark zerstört,
2. das Wohngebiet Hammerbrook / Rothenburgsort war ausgelöscht und
3. die Fahrgastzahlen waren seit Anbeginn zu gering und die Strecke erforderte daher Zuschüsse.

So verkehrten am 27. Juli 1943, dem 28. Geburtstag der Zweigstrecke, zum letzten Mal Hochbahnzüge nach Rothenburgsort ...

Die gesamte Strecke war durch die unermeßliche Hitze, die in dieser Nacht herrschte, unbrauchbar geworden; allein schon die eisernen Viadukte waren in ihrer Statik beeinträchtigt, die Schienen deformiert. Die Haltestellen waren mittelstark bis schwer zerstört; Kabelstränge und Stromschienenabdeckungen waren verbrannt. Es gab aber auch Abschnitte, in denen kaum bis gar nichts zerstört war. Bis zum Kriegsende erlitt die stilliegende Strecke noch weitere Schäden, da es weitere Bombenangriffe gab; auch auf das bereits fast völlig zerstörte Hammerbrook fielen noch Bomben. Der eiserne Viadukt war an mehreren Stellen, unter anderem an der Rampe zum Besenbinderhof durch Bomben getroffen und zerstört, insgesamt auf etwa 70 Metern Länge. Das Viadukt südlich der Haltestelle Spaldingstraße wurde erst nach dem Feuersturm zerstört, wobei die Gleise und Schwellen nicht rissen, sondern einen Bogen nach unten vollführten und so teilweise in der Luft hingen. Dieser Schaden ist sehr häufig fotografiert worden.

Nach dem Kriegsende 1945 wurden bereits die Gleise demontiert. Sie dienten zur Behebung der Schäden an den anderen Strecken der Hochbahn. Auch andere Materialien von dieser Strecke wurden für Reparaturen verwendet. Bei oder in der Haltestelle Rothenburgsort, die nun vom Schienennetz abgeschnitten war, standen noch sechs intakte und zwölf ausgebrannte Hochbahnwagen; darunter befand sich auch der Wagen Nummer 83. Sie wurden zwei Wochen nach der Feuersturmnacht ausfindig gemacht, noch im Herbst 1943 per Straßenroller nach Barmbek befördert und nach der Reparatur wieder eingesetzt.

Ankunft eines Straßenrollers mit Triebwagen in Barmbek.
Von Rothenburgsort nach Barmbek: bis 1943 ging das auf der Schiene, nun muß dieser Hochbahnwagen den Straßenroller nehmen. Hier wird er in der Hauptwerkstätte in Barmbek abgeladen.


Hammerbrook wurde mit einer Mauer aus Trümmerschutt, die unter anderem an den ehemaligen Haltestellen Spaldingstraße und Süderstraße stand, abgesperrt.

Hans Brunswig beschrieb die Absperrung in seinem Buch "Feuersturm über Hamburg" so:

"Der fast ganz zerstörte Stadtteil Hammerbrook westlich des Heidenkampsweges (Zerstörungsgrad über 90 % !) wurde im Räumungsprogramm zunächst ausgespart und zum «Sperrgebiet» erklärt, um die verkehrs- und lebenswichtigen Bezirke vorziehen zu können. Anlaß zu dieser Maßnahme waren vor allem einige schwere Unfälle durch Mauereinstürze, die sich bei der oft genug verzweifelten Suche nach Angehörigen unter den Trümmern ereignet hatten, nicht jedoch (wie gerne behauptet wurde) «Seuchengefahr» oder «Tausende von Toten»."

Das "Hamburger Echo" schrieb 1951 über die ehemalige Zweigstrecke:

"Im Gluthauch schmolzen damals wuchtige Träger, wurden Bleche zerfetzt und in den Himmel gefegt, rissen Verstrebungen und barsten Blöcke unter den Schlägen krepierender Hämmer. Die letzte Bahn ab Hauptbahnhof fuhr am 27. Juli. Die folgende Nacht zerriß das Band vom Gestern zum Morgen, und von diesem Moment an lagen die Bahnhöfe verödet, erstarb auf den Gleisen das gleichförmige Rollen der Räder, erstarrten die Signale, und zwischen dem Schotter des Unterbaues, zwischen den Betonritzen sucht sich das Gras kümmerlichen Nährboden."

In dem Buch "Hamburg und seine Bauten" von 1953 stand folgende Beschreibung über Hammerbrook:

"Fast die gesamte Bebauung Hammerbrooks lag in Trümmern. Die Überlegung, ob man diesen in seiner Struktur mit schwersten städtebaulichen Mängeln behafteten Stadtteil, dessen Entwässerung seit rund 100 Jahren immer wieder die größten Schwierigkeiten bereitete, in alter Form wiederherstellen oder von Grund auf neugestalten sollte, führte dazu, die Aufhöhung des Gebietes vorzusehen und einen Plan für die völlige Neugestaltung Hammerbrooks auszuarbeiten, um aus dem früheren engverschachtelten Wohn- und Gewerbegebiet ein modernes Gewerbegebiet zu entwickeln. Gleichzeitig sollten die in Hammerbrook früher vorhandenen und größtenteils zerstörten Eisenbahn- und Güterverkehsanlagen neu geordnet und in verbesserter Form aufgebaut werden."

Klaus Frahm und Dirk Meyhöfer beschreiben in ihrem 1983 erschienenen Buch "Bahnhofswelt" aus dem "Braus - Verlag" Hammerbrook so:

"Hammerbrook - ein Ausnahmestadtteil Hamburgs. Nach der vollständigen Kriegszerstörung entstand hier nur zögernd ein recht zusammenhangloses Gewerbegebiet, das eine ungewöhnliche, unwirtliche Ausstrahlung hat. Mit der neuen Harburger S - Bahn, die dieses Gebiet als Hochbahn durchschneidet, hofft man auf eine günstige Stadtentwicklung. (...) Die neue S - Bahn wird hinter dem Hauptbahnhof aus der Stammstrecke ausgefädelt und verläuft gar nicht weit entfernt von der alten Linie, die nach Rothenburgsort führte und nach dem Krieg aufgegeben werden mußte."

Während die Trümmerräumung allmählich in den folgenden Jahren einsetzte (etwa 1957 abgeschlossen), blieb das Viadukt ungenutzt stehen.

1950 wurde, nachdem sich die gesamtwirtschaftliche Situation wieder stabilisiert hatte, eine Neuplanung der U - Bahn, wie sie seit 1947 hieß, vorgenommen. In dieser Planung war die Strecke nach Rothenburgsort nicht mehr enthalten. Im Bereich Hammerbrook waren zwei andere Strecken vorgesehen, von denen keine den Verlauf der Zweiglinie erhalten sollte.

Das waren die beiden bereits im Abschnitt "Projekte" genannten Linien "Ost - West - Straße" und "Alsterhalbring". Die erste führte vom "Meßberg" kommend über die "Amsinckstraße" zu den Elbbrücken, die zweite kam von der "Burgstraße" und führte über Borgfelde ebenfalls zu den Elbbrücken. Diese Planung wurde bereits bei der 1948 abgehaltenen Ausstellung "Hamburg am Werk" veröffentlicht und 1950 im ersten Generalplan für Hamburg wiederholt. 1955 gab es noch den Plan einer Strecke vom Meßberg über "Amsinckstraße" - "Billstraße" nach Rothenburgsort sowie ab "Billstraße" über Borgfelde zur "Burgstraße". Ob dabei die alte Dammstrecke ab Brückenstraße noch verwendet werden sollte, die 1955 noch vorhanden war oder ob die Strecke unterirdisch verlaufen sollte, ist nicht bekannt.

Am 01. Juli 1950 war mit der Eröffnung des Ostrings von Mundsburg bis Barmbek die Wiederherstellung aller kriegsbeschädigten U - Bahnstrecken abgeschlossen, die natürlich wichtiger waren als etwaige Abrißarbeiten. So ist es zu erklären, daß das Viadukt in Hammerbrook erst demontiert wurde, als alle anderen Arbeiten beendet waren.

Nun sieht die schienenlose Neigung wie eine Rutschbahn aus, ein trauriger Anblick für eine Hochbahn.
"Hier hob sich einmal die Rothenburgsortstrecke aus dem Gewirr von Mietshäusern zur Brücke und zum Bahnhof Spaldingstraße. In dem eisernen Band klaffen weite Lücken. Nun sieht die schienenlose Neigung wie eine Rutschbahn aus, ein trauriger Anblick für eine Hochbahn. Bald wird auch dieser Rest verschwunden sein - als Schrott in den Gießöfen." - Das Hamburger Abendblatt vom 28. Februar 1951.


Der Abbau der Zweigstrecke ab 1951

Das Viadukt in Hammerbrook wurde schließlich ab dem 04. März 1951 abgebaut und verschrottet. Angeblich hat die HHA mit dem Schrottwert daraus die ersten Straßenbahnwagen des Typs V6 finanziert. Möglicherweise kam der Erlös aber auch in einen "großen Topf", aus dem dann neue Straßenbahn- und U - Bahnfahrzeuge bezahlt wurden.

Ein Viadukt fällt

"Heute Vormittag wurde am Nagelsweg damit begonnen, den Viadukt abzureißen, der die ehemalige Hochbahnstrecke zwischen Hauptbahnhof und Rothenburgsort trug. Den Abbruch übernimmt die Hansa Rohstoff Verwertungs- GmbH, Hamburg, die das ganze Objekt aufgekauft hat. Etwa die Hälfte der anfallenden Schrott- und Nutzeisenmassen müssen an westdeutsche Firmen zur Weiterverarbeitung geliefert werden. Mit Stahlseilen rückten die abbrechenden Mannen dem rostigen Eisenwrack zu Leibe, nachdem sie vorher einige Pfeiler durchgeschweißt hatten. Polizeibeamte sorgten dafür, daß die Absperrungen nicht überschritten wurden, um unliebsame Beulen zu vermeiden". - Das Hamburger Echo vom 04. März 1951.

Im Augenblick der Sprengung

Das Viadukt wird abgerissen.
"Der erste Teil des Viaduktes, der einst die Hochbahnstrecke Hauptbahnhof - Rothenburgsort trug, wurde gestern im Rahmen des Abbruches dieser Strecke niedergerissen. Unser Bild zeigt oben, wie das etwa 50 Meter lange Stück Bahnkörper zusammensinkt, nachdem vorher die Brückenpfeiler durchgeschweißt worden waren. Unten der Viadukt nach der Sprengung." - Das Hamburger Echo vom 05. März 1951. Rechts im Bild ist wieder die Schokoladenfabrik der "GEG" zu sehen, deren Gebäude als eins der wenigen den Krieg in Hammerbrook überlebt hat.


Im Juli 1951 wurde die Haltestelle Süderstraße abgetragen und die Brücke über den Südkanal beseitigt. Die Haltestelle Brückenstraße verschwand im August, danach folgten der Oberbau der Billbrackbrücke und die Brücke über die "Billstraße". Die Pfeiler blieben noch ein wenig länger erhalten. Im Oktober 1951 wurde dann die Rampe zum "Besenbinderhof" abgewrackt sowie die Brücke über der Bundesbahnstrecke abgebaut. Der Zugverkehr auf der S - und Vorortbahn sowie der Fernverkehr durfte dabei nicht unterbrochen werden, so daß wieder ein Gerüst auf der Südseite der Brücke nördlich und südlich der dortigen Brückenpfeiler aufgebaut wurde. Die Brücke wurde angehoben und auf das Gerüst geschoben. So konnte sie auseinandergeschweißt werden, ohne den Bahnbetrieb zu stören.

Die Bahnhofshallen wurden nicht verschrottet, sondern verkauft, etwa als Gewächshaus! Der steinerne Unterbau der Haltestelle Spaldingstraße blieb noch einige Zeit erhalten und diente einem Gewerbebetrieb als Aufenthaltsgebäude. Die Halle von Rothenburgsort dagegen landete auf dem "Krupp" - Gelände in Essen. Wielange sie dort stand oder ob sie noch existiert, ist nicht bekannt.

Die Dämme der Trasse blieben zunächst noch unangetastet. Mit dem Um- und Ausbau der Straßen "Amsinckstraße" und "Billhorner Brückenstraße" und der entsprechenden Kreuzung ab 1958 wurden in diesem Bereich die noch vorhandenen Brückenwiderlager, Steinviadukte und der Damm abgerissen. Auf einigen damaligen Fotos kann man erkennen, daß die neue Straßenbahntrasse entlang der "Amsinckstraße" bereits in Betrieb ist (siehe auch unter Gleis 8.3 - Neue Trassen; sie wurde im Oktober 1959 eingeweiht), aber das steinerne Viadukt zwischen dem "Billbrack" und der "Amsinckstraße" noch steht. Ebenso sind die Pfeiler der Billbrackbrücke noch vorhanden sowie der Damm dazwischen. Der Unterbau auf dem Steinviadukt wurde allerdings bereits entfernt. Die Brücke direkt vor der ehemaligen Haltestelle Brückenstraße ist ebenfalls noch vorhanden. Der Straßenbahnverkehr läuft noch östlich des heutigen Hochhauses in der Straßenmitte entlang.

Auf der nächsten Fotoreihe sind das Steinviadukt und der Erddamm zum "Billbrack" noch da, allerdings läuft der Verkehr auf der "Billhorner Brückenstraße" nicht mehr unter der ehemaligen Hochbahnbrücke, sondern westlich daneben. Von der Haltestelle Brückenstraße steht nur noch die steinerne Wand zum daneben befindlichen Wohnhaus sowie die Wand zu den Häusern an der "Billstraße". Die Straßenbahn hat nun ihre endgültige Lage westlich des Hochhauses gefunden. Das Datum dieser Bildreihe ist leider unbekannt. Irgendwann danach sind dann die letzten Überreste der Zweigstrecke in diesem Bereich ebenfalls beseitigt worden.

Die Wagenhalle in Billwerder - Ausschlag war nach dem Krieg stark zerstört, die Außenwände und die Sozialgebäude existierten noch, jedoch fehlte auf fast der ganzen Fläche der Halle das Dach. Die Sozialgebäude blieben, anders als die Wagenhalle nach dem Krieg zunächst weiter bestehen. Auf einem Foto aus dem Jahr 1973, auf dem der Neubau der S - Bahnbrücke zwischen "Rothenburgsort" und "Tiefstack" über die Güterumgehungsbahn zu sehen ist, existieren die Sozialgebäude noch! Sie wurden im Laufe der Zeit dann abgerissen; wann das geschehen ist, ist nicht bekannt. Das Fundament der Wagenhalle und / oder der Sozialgebäude soll aber noch existieren und sich unter einer neuen Lagerhalle befinden. Auf dem Gelände der Haltestelle Rothenburgsort entstand das Berufsförderungswerk.

Durch den Bau der U - Bahnstrecke von "Jungfernstieg" über "Hauptbahnhof" nach "Wandsbek" Mitte der 1950er Jahre wurde der Tunnel der Zweigstrecke in zwei Hälften geteilt, da die neue Strecke auf gleicher Höhe verläuft. Ob die Schienen bis zu diesem Zeitpunkt noch komplett im Tunnel verblieben sind, ist nicht bekannt. Der Tunnelteil Richtung Rothenburgsort wurde dabei von der HHA an Dritte zur Nutzung weitergegeben. Die neue U - Bahn bekam wegen der beengten Platzverhältnisse in der damals über 40 Jahre alten Haltestelle Hauptbahnhof eine eigene Haltestelle Hauptbahnhof, die südlich parallel zur bisherigen liegt, mit einem Bahnsteig, der lang genug für die Acht - Wagen - Züge dieser Strecke ist.

Bis in die sechziger Jahren endeten noch viele Züge der Linie Hellkamp - Barmbek in der immer noch viergleisigen Haltestelle Hauptbahnhof (- Süd) der heutigen Linie U3. Zum Kehren wurden die Züge auf die übriggebliebene Rampe der ehemaligen Zweigstrecke gefahren. Die Fahrer durften dabei ihren Zug nicht auf der Rampe abstellen, da diese geneigt war, sondern mußten nach dem Kehren gleich wieder in die Haltestelle zurückfahren.

Gleisplanskizze der Haltestelle Hauptbahnhof 1955.
So sah 1955 die Gleislage der Haltestelle "Hauptbahnhof" aus.


1972 wurden in der Haltestelle Hauptbahnhof - Süd der U3 die Gleise der ehemaligen Rothenburgsorter Strecke am Bahnsteig und auf der anschließenden Rampe entfernt, die leeren Gleiströge am Bahnsteig zugedeckt und daraufhin der Bahnsteig sowie die Treppenanlagen verbreitert.

Um das Jahr 1990 herum sollen bei dem Umbau des Nagelsweges die noch vorhandenen Betonsockel der Viaduktstrecke entfernt worden sein. Vorher sorgten sie wohl, da sie wahrscheinlich nur notdürftig überteert waren, für einen huckeligen Straßenbelag.

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Erstellt seit: Januar 2001
Online seit: Dezember 2001
Zuletzt aktualisiert am: 13*11*2018

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